Tomas Gärtner
Party mit dem Himalaya -Yeti im Unkrautgarten

Mario Göpferts Traumgeschichten von „Herrn Schammeldamm und Frau Hobbeldobb“

Was gibt es besseres, um Kinder abends geruhsam in den Schlaf zu schicken, als eine Gute-Nacht-Geschichte? Doch was tun Väter, Mütter oder Großeltern, wenn sie sich die alte Kunst des Erzählens nicht zutrauen oder ihnen gerade der Stoff ausgegangen ist? Sie lesen entweder vor – oder lassen im Zeitalter von Kassettendeck und CD-Spieler andere erzählen. Da können sich ihre Jüngsten zum Beispiel dem Dresdner Autor Mario Göpfert anvertrauen, der sich mit seinen Geschichten von „Herrn Schammeldamm und Frau Hobbeldobb“ auf garantiert anregende Weise in den Schlummer hinein geleitet. Auf der Kasette oder CD mit den sechs „Ohrenbär“ – Geschichten für kleine Leute des Deutschland-Radio, jede acht Minuten lang, hat Peter Striebeck dem 42-jährigen Autor seine angenehm warme Stimme geliehen, die bald in gemessenem Erzählton dahin schreitet, bald übermütig durch die Dialogpassagen hüpft.

Nachtzeit ist Traumzeit. Für Göpfert öffnet sich, wenn wir die Augen schließen, eine phantastische Welt voller wunderlicher Gestalten. Am Beginn jeder Geschichte schlüpft nachts, wenn der Autor schläft, Herr Schammeldamm aus seinem Kopf, „zieht seine Traumschuhe an, setzt seinen Traumhut auf, nimmt seinen Schirm aus schwarzem Traumgewebe“, und schlendert in die Stadt. Auf seinem Weg trifft er Jaques, den Luftverkäufer, geht vorbei am Super-Alptraum-Markt, betrachtet im Museum Träume berühmter Leute. Oder er begegnet dem Alaska – Kakadu, der die ganze Welt von Grön- bis Feuerland kennt, lässt sich vom Himalaya-Yedi zu einer Party einladen oder schließt in einem schiefen Haus in der Mitternachtsgasse Bekanntschaft mit dem Stubenkönig Wolfram von der roten Couch. Doch dann kommt dem Herrn Schammeldamm regelmäßig Frau Hobbeldobb in die Quere, geträumt von der dem Erzähler übel gesinnten Nachbarin Frau Meier.

Das alles kommt frei von vordergründigen Belehrungsversuchen oder Moralappellen daher. Doch deutlich genug sprechen diese Geschichten von der bedrohten Schönheit bemooster Straßen, buckliger Häuser und verkrauteter Gärten. Orte, wo die Trolle, Dschinne und Nixen von einst vielleicht gelegentlich noch zu finden sind. Und es ist eine leise Klage zu vernehmen über den achtlosen Umgang mit Worten. Ausgekaut und allzu schnell verwelkt kehrt sie der Wortmüllkutscher zusammen. Das Gegenmittel ist die kindliche Freude an Wortspielen, die Göpfert vorführt. Die Namen der beiden Titelhelden sind exemplarisch für die zahlreichen Vokal- und Konsonantendopplungen, denen wir hier begegnen.

Göpfert errichtet eine ineinander verschachtelte Bilderwelt voller Überraschungen. Die Geschichten ranken sich in vielfältigen Verästelungen nach allen Seiten. Randgestalten in der einen erscheinen als Hauptfiguren in der anderen. Das lädt geradezu ein, weiter zu stricken an diesen luftigen Traumgespinsten. Sich vielleicht eigene Hobbeldobbel-Worte zu basteln, um damit etwas Farbe in den eigenen kargen Wortschatz zu bringen.

 

Mario Göpfert:
Herr Schammeldamm und Frau Hobbeldobb
Gelesen von Peter Striebeck
Deutsche Grammophon, Hamburg 1999
MC: 12,90 Mark, CD 16,90 Mark

Ein kleiner Riese und eine große Zwergin

(DK) Es waren einmal ein Zwerg und eine Riesin. Der Zwerg hieß Goliath und war eigentlich gar kein Zwerg, sondern ein kleiner Riese, viel zu klein für seine Art. Und die Riesin war gar keine Riesin, sondern eine riesige Zwergin.

Vielleicht bin ich ja auch gar kein Riese, sondern ein Zwerg, zweifelt Goliath an seiner Identität. Doch das Riesenweib lachte, dass die Luft dröhnte: „Unsinn, ein Riese ist, wer sich als Riese fühlt. Fühlst du, dass du ein Riese bist?“ Da tippte Zwerg Goliath auf die Stelle, wo sein Herz war. Da drin fühlte er, dass er ein Riese war. Na also! Trotzdem waren beide unzufrieden mit ihrer Größe. Weil sie eben anders waren als ihre Altersgenossen. Die Luftfee hatte eine Lösung: „Kleiner Riese“, sprach sie, „gehe zur gläsernen Quelle und trinke aus ihr. Die Kleinen macht sie groß. Die Großen macht sie klein.“

Das war der Ausweg: Damit wäre beiden geholfen. Auf der Reise dorthin sahen sie, wie die Welt sich verändert hatte. Die duftende Ebene hatte vielleicht einmal nach Lavendel und Thymian geduftet, heute stank sie nach Benzin. Der Wald war einmal ein rauschender Wald gewesen, heute hörte man nur das Knacken der Bäume mit ihren morschen Ästen. Und aus der einstigen gläsernen Quelle war ein klägliches Rinnsal geworden. Zu spät gekommen. Keine Wunder mehr. Aus und vorbei.

Wer weiß, wofür es gut war, denn irgendwie erkannten sie, dass sie sich ganz gut ergänzten. Dass Goliath sehr wohl etwas von einem Riesen hatte – nämlich einfach riesige Ideen. Zum ersten Mal fühlte Goliath, wie er wuchs. Nicht außen herum, sondern mehr im Innern. Weit weg von Zwergen, Riesen und Menschen bauten die beiden sich ein Haus, jeder ganz nach seinen Bedürfnissen, und sie stellten fest, dass sie sich eigentlich sehr wohl fühlten, so wie sie sind. Ein sehr schön bebildertes Buch über das Anderssein und die Toleranz, den anderen so zu nehmen, wie er ist, auch wenn er nicht ganz der Norm entspricht. Und ganz nebenbei kann man sich auch noch Gedanken machen, wie sorglos wir mit unserer Umwelt umgehen.

(Verena Doyé, Donaukurier, 27.5.2003)

 

Mario Göpfert
Illustrationen von J. van Geffel
Zwerg Goliath & Fräulein Liliput
Lappan-Verlag
ab 4 Jahren, 12,90 Euro.

Lisa und Mathilda

Kinderbuch von Mario Göpfert und Julia-Michelle Neumann

Die „Stiftung Lesen“ unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler empfiehlt ein Kinderbuch aus dem Brunnen Verlag. Das im Herbst 2004 im Brunnen Verlag Gießen erschienene Bilderbuch „Lisa und Mathilda“ von Mario Göpfert und Julia-Michelle Neumann rage durch seine „Qualität aus dem großen Angebot heraus“ und weckt „in besonderer Weise die Lust am Lesen“, schreibt Heinrich Kreibich, Geschäftsführer der Stiftung Lesen.

Die „mit Fantasie und Witz“ erzählte „liebenswert altmodisch anmutende“ Geschichte „von einer ungewöhnlichen Freundschaft und ihrer Bewährungsprobe“ hat nicht nur in Deutschland Kritiker wie Leser überzeugt. Derzeit finden konkrete Vertragsverhandlungen mit Verlagen in Südostasien und in Skandinavien statt, die das Buch übersetzen wollen.

Lisa ist ein Mädchen, das allein mit der Giraffe Mathilda in einem Haus lebt. Diese hat Lisa, genau wie das Haus, von ihrer Oma geerbt. Die beiden teilen sich die Hausarbeit: Lisa Kocht und bäckt, Mathilda wischt Staub – besonders da, wo Lisa nicht drankommt – wäscht und hängt Wäsche auf. Das Leben ist schön, bis eines Tages ein Flusspferd in der Badewanne liegt und ab und zu das Haus verwüstet…

Ein Kinderbuch, das vermittelt, wie man in schwierigen Situationen miteinander klarkommen und Konflikte lösen kann. Später schließen das Flusspferd, Mathilda und Lisa Freundschaft, obwohl das große graue Tier sogar die Blumen der Nachbarn, den Salat und einiges andere gefressen und danach seine Häufchen einfach in Lisas Garten verteilt hat.

Eine Geschichte, die Kindern ab vier Jahren eben nicht nur Spaß macht, sondern vermittelt, wie der Umgang miteinander leichter wird und zu einem guten Miteinander führt. Werte, die heutzutage viel zu wenig vermittelt werden. Was viele Eltern und die meisten Pädagogen versäumen, kann ein Buch zwar nicht nachholen, doch es ist wieder ein erster Schritt in die richtige Richtung.

R. und B. Drieshoff

 

Lisa und Mathilda
Mario Göpfert und Julia-Michelle Neumann
Brunnen Verlag
28 Seiten, gebunden,
durchgehend vierfarbig illustriert,
21,5 x 27,5 cm
11,95 Euro
ISBN 3-7655-6769-8

Tomas Gärtner
Verrücktes Zelt
Mario Göpferts Kinderbuch
Löwe sein ist wunderbar

Warum, so fragt der Dresdner Autor Mario Göpfert in seinem neuen Kinderbilderbuch (ab 5 Jahre), muss ein Zirkuslöwe eigentlich immer gehorchen und warum eigentlich hat immer nur der Dompteur das Sagen? Nehmen wir mal an, der Löwe würde sich eines Tages im Spiegel sehen und käme so zu einem gewissen Selbstbewusstsein seiner eigenen Stärke. Könnte es da nicht passieren… Aber da ist es schon passiert. Denn in Göpferts Zirkuswelt erfüllt sich auch das noch, woran nur die tüchtigsten Träumer glauben. Henrike Wilson hat das mit lustigen Pinselzeichnungen illustriert, bei denen der Strich noch erkennbar ist und nicht in steriler Glätte verschwindet.

Da hockt der Dompteur Tornadus auf dem Holzpodest vorm brennenden Reifen und der Löwe El Capitan schwingt die Peitsche. Verrücktes Zelt. Das bringt Zuschauer, und die Nummer an die Spitze.

Doch auch die wundersamste Wende wird einmal langweilig, wenn sie nur ein Rollentausch bleibt und sich ansonsten nichts verändert. Und so fragen sich die Zuschauer schon bald ernüchtert: „Wenn allerdings der Dompteur jetzt ein Löwe war und der Löwe ein Dompteur, war da nicht alles wie früher?“ Gegen diese tödliche Langeweile ist für Göpfert nur ein Kraut gewachsen: fröhliche Anarchie. Und so nimmt die Geschichte eine weitere überraschende Wende. Welche – da sollen sich die Leser mal selbst überraschen lassen. Aber, liebe Eltern, nicht vergessen: Das Buch ist für Kinder gedacht!

 

Mario Göpfert:
Löwe sein ist wunderbar
Mit Bildern von Henrike Wilson
Verlag Middelhauve, München 2000
ISBN 3-7876-9615-6

Pressestimmen zur Uraufführung:
Gertrud Pigor nach Göpfert/Wilson: Löwe sein ist wunderbar

„Wenn in der Zirkusmanege Löwe und Dompteur einander gegenüberstehen, ist klar, wer das Sagen hat. Der Dompteur schwingt die Peitsche, der Löwe muss springen, von Podest zu Podest oder durch brennende Reifen. Was aber, wenn der Löwe den Spieß plötzlich umdreht?(…)

Da ist der Dompteur, der mit seiner Dressurnummer groß rauskommen will, hier der lammfromme Löwe. Beim Blick in den Spiegel merkt er eines Tages, wie stark er ist. So schnappt er sich die Peitsche und zeigt dem Dompteur, wie es ist, nach der Pfeife eines anderen zu tanzen. „Der Löwe ist das kindliche Element und die Identifikationsfigur im Stück. Er hat Spaß an der Umkehrung der Machtverhältnisse.“ (Pigor)

(…) Am Ende werden die Theaterzuschauer zwei Freunde sehen, deren Lust an Macht sich ausgespielt hat. Und der Löwe will wieder Löwe sein. Denn Löwe sein ist schließlich wunderbar.“

(Kieler Nachrichten, 05.10.2002)

Bestes Kindertheater:

Ein leuchtend gelbes Zirkuszelt steht auf der kleinen Bühne im Obergeschoss des Werftparktheaters (Kiel). Von drinnen dringen manchmal Geräusche an die Ohren des Theaterpublikums: der Sarrasani-Marsch oder die zackigen Befehle des Löwendompteurs. Doch was in der Manege geschieht, ist halb so wichtig. (…) Die Regisseurin (Pigor) wirft einen Blick hinter die Kulissen des bunten Treibens und zaubert mit leichter Hand, viel Humor und Sinn für Poesie eine ganze Zirkuswelt in die Köpfe der Zuschauer.(…)

Ganz leise geht es los. Zu einer Musik, die an den Klang vom Spieluhren (Musik: Heiko Klotz) erinnert, schaut ein Clown hinter dem Zelt hervor. Vorwitzig und doch ein wenig schüchtern nähert er sich dem Publikum. Verschämt lächelnd zieht er einen hölzernen Pudel auf Rädern hinter sich her – wieder einmal musste er einspringen, diesmal für die Hundedressur.(…)

Gebannte Aufmerksamkeit bei den Kleinen und ein begeisterter Premierenapplaus bewiesen: Besser kann Theater für Kinder kaum sein.“

(Kieler Nachrichten, 08.10,2002)

„‚Löwe sein ist wunderbar‘ nach dem Bilderbuch von Mario Göpert, illustriert von Henrike Wilson, ist zur Zeit das Erfolgsstück des Kieler Theaters im Werftpark. Wer es allein oder mit Kindern besucht, kann sich auf eine Stunde ununterbrochenen Lachens gefasst machen. Denn das gehört ebenso zu Pigors Begabungen – sie ist mittlerweile so etwas wie ein Geheimtipp auf dem Gebiet der Dramatisierung von Bilderbüchern – Erwartungshaltungen immer wieder zu durchkreuzen und die entstandenen Lücken mit eigenen Fantasien zu füllen.

„Ein Buch ist ein Buch“, sagt sie, und niemals würde es ihr einfallen, Wilsons poetische, in dunkelleuchtenden Farben gemalte Bilder einfach in gleicher Weise auf die Bühne zu übertragen. Was ihre Art zu inszenieren auszeichnet, ist das Gespür für die ironische Distanz zwischen Bild und Geschichte. Sie erfindet Neues dazu mischt mit Vorliebe die Formen des dramatischen, angefangen vom Sprechtheater über die Pantomime, den Tanz, das Figurentheater und den Einsatz von Objekten – und rhythmisiert das Ergebnis schließlich mit Hilfe von Songs. Darum ist es auch kein Wunder, dass die jungen Zuschauer schon bald den Clown in ihr Herz geschlossen haben., denn er ist der ‚running gag‘ in der atmosphärisch dicht gespielten Vorstellung. In immer wieder wechselnden Rollen – er vertritt nacheinander den Direktor, die Seiltänzerin, den Eisverkäufer und die Krankenschwester – erinnert er an die Bemühungen von Kindern, ihre Sache besonders gut machen zu wollen. Auch der Löwe und der Dompteur sind mit eigenen Geschichten ausgestattet und wollen doch nichts anderes darstellen, als dass die Vorstellung eines Rollentausches außerordentlich heilsam sein kann.“

(ESELSOHR Juli 2003)